Schamanisches Schwitzhütten Retreat

mit Thomas und Brigitte Manhartsberger, Waldviertel, Juni 2011

Wir sind alle Kinder von Mutter Erde

 

ankommen

heimkommen

zur Ruhe kommen

 

der Natur lauschen

die Worte des Flusses fließen

das Gras flüstert

 

die Sprache der Steine lernen

 

Feuerstelle

Holz, biegsam, gewachsen

 

in der Mitte der Schwitzhütte

ein Loch graben

ein Geburtskanal

eine Nabelschnur

wir rufen Mutter Erde

 

die Schwitzhütte abdecken

dunkel

eine Gebärmutter entsteht

gepolstert mit frischem, grünem Gras

geschützt mit Heilkräutern

Feuer

 

wir entzünden die heiße Kraft

Licht, Lebensfunken

Wärme, Wachstum

Zerstörung, Wandlung

Transformation

 

Steine

wie im heißen Bauch der Mutter

tief im Inneren der Erde

werden sie erhitzt

 

rotglühender Stein

speichert Erinnerungen

und setzt sie frei

 

ein Weg

von der Feuerstelle zur Schwitzhütte

auf- und absteigende Lebenskräfte

spiralförmige Zentren der Energie

 

ein Tor

Einladung für die Spirits

 

1. Durchgang

 

eintauchen in die Dunkelheit

sitzend auf einem Polster aus Gras

 

Steine glühen heiß

in unserer Mitte

 

Flüstern

Aufregung

Neugier

 

Räucherwerk auf heißem Stein

rotglühende Sterne funkeln

wie Feenstaub

zauberhafte Lichtpunkte

tanzen durch die Dunkelheit

 

Flusswasser

zischt

verdampft

 

heiß, es wird immer heißer

schemenhafte Wesen neben mir

verbunden, vereint in der Dunkelheit

 

Feuer

kann die heiße Kraft des Feuers spüren

sehen

 

ein rotgoldener Drache

steigt aus dem Feuer auf

verwandelt sich in eine Schlange

orange-weiß-schwarz gemustert

eine Königsnatter

im Dunklen

Tierköpfe

große aufgerissene Mäuler mit spitzen Zähnen

alle kommen auf mich zu und drohen mich zu verschlingen

 

doch kein Schmerz

und auch bald keine Angst ist mehr spürbar

 

ich gebe mich der transformierenden Kraft der Dunkelheit hin

die mich nicht verschlingt

sondern aufnimmt

in den heißen Schoß der Erde

hinein in die nachtdunkle Schwärze

 

Schweiß- und Wassertropfen rinnen

an meinem nackten Körper hinunter

 

ein großer Vogel erscheint,

breitet seine Schwingen aus

ein Adler?

nein, ein riesiger Geier

 

hinaus ins Licht

die Dunkelheit gibt ihre Kraft der Wandlung an das Feuer zurück

 

heiß, die Haare kleben am Körper

meine Hände stützen sich auf die Erde

erhebe mich schwankend

die Beine wollen mir nicht gehorchen

der Körper noch träge, schwer

 

frische Luft in meinem Gesicht

kaltes Gras unter meinen Füßen

das Licht des Feuers vor meinen Augen

 

mit dem Bademantel finde ich einen Platz

zwischen Feuerstelle und Fluss – Feuer und Wasser, Erde unter mir, Luft über mir

in den Elementen gebadet, gereinigt, laufen mir Tränen des Dankes über die Wangen

 

so lebendig, ich atme tief,

spüre wie mein Körper mit jeder Zelle die Erde berührt

und ihr dankt

 

ins kalte Wasser des Flusses

ich lasse los, weiß nicht was

lasse gehen, das Wasser über mich strömen

altes darf gehen und ich darf mich spüren, darf leben, darf ich sein

so schön

 

ich liege wieder im Gras

mein Herz klopft so stark

ich spüre meine Lebendigkeit so stark in mir

 

blicke hinauf in den nachtdunklen Himmel

schließe die Augen

Energie fließt durch mich hindurch

in pulsierenden Strömen

 

ich drehe mich

scheine mich zu erheben

tanze mit der neugewonnenen Energie

durch die Nacht

in den Himmel

und zurück auf die Erde

 

Energieströme

tanzen durch die Nacht

und ich tanze mit ihnen

2. Durchgang

 

begierig tauche ich diesmal ein

in die bereits ein wenig bekannte dunkle Kraft

ins heiße, schwüle Schwitzen

glitschige Nässe auf meinem Körper

 

spüre wie die schwarzen Transformationsströme

mein Herz berühren und meine Seele

spüre die Nacht der Wandlung

spüre die Erde unter mir, die mich liebevoll trägt

 

spüre eine Kraft die mich in die Dunkelheit zieht

und mir Verwandlung schenkt

die mir einen neuen Anfang schenkt

 

in der dunklen Gebärmutter

mich in Stücke auflösend

meine Lebensmuster sehen im Fadenwerk gesponnen

und ein paar alte Fäden neu ordnen

 

alte, verbrauchte Muster körperlich hinausschwitzen

und seelisch der Dunkelheit zurückgeben

 

gewandelt ins Licht der sternenklaren Nacht treten

und klare Luft atmen

diesmal mit kräftigeren Beinen

sofort an den Fluss

und hinein

 

das wunderbare, kalte Wasser

erfrischt, belebt, begrüßt mich wie einen alten Freund

und ich genieße seine zärtlich-energetische Berührung

am ganzen Körper

ein Energiefluss streicht an mir vorüber

ich darf sie aufnehmen, die sich ständig verändernde

und doch so beständige

Kraft des Wassers

die mit meinem Körper singt und ihn durchdringt

meine Zellen mit Leben versorgt

und mein Herz mit Freude

 

dann liege ich unter dem sternenklaren Himmel

die Nacht aufgespannt wie ein Zelt über mir

beschützt bin ich und gesegnet

 

die Sterne zum Greifen nahe

sinke ich tief in die Erde

eingebunden in den Lebensfluss der Elemente

nicht mehr Beobachter

sondern verbunden

am ewig alten Kraftgesang der Erde und des Himmels teilnehmend

und ein ewig alter Teil in mir singt und erwacht und lebt

Frauen Durchgang am 2. Tag

 

diesmal ist das Eintauchen intensiver

die Kraft stärker

so stark, ein Energiefeld, das mit den Händen greifbar scheint

 

immer wieder öffnet sich der Eingang

noch mehr heiße Steine

immer stärker das Kraftfeld

ich schwimme bereits mit dem Energiefluss

 

der letzte glühende Stein

Dunkelheit

 

Angst,

doch dann fühle ich mich aufgehoben, geborgen

 

Räucherwerk knistert, verglüht

aromatische Düfte steigen in meine Nase

lösen Erinnerungen aus

Bilder

auf heißen Steinen ein rot glitzernder Sternenhimmel

 

aus der Erde und aus der Schamanin dringt ein Kraftfeld

immer stärker

Mutter Erde, wir Frauen verbunden mit der Urkraft

der weiblichen, dunklen Macht des Gebärens

 

bin ich angekommen, aufgenommen

darf ich mich verbinden

mit dem weiblichen Kraftfeld?

mit meiner eigenen weiblichen Kraft?

 

nachhause…

heimkommen in mir

so wunderbar aufgenommen,

angenommen in dieser Kraft

 

so vieles löst sich in mir

 

wieder Angst

mich ganz hinzugeben

 

und dann

 

eine Kraft

aus der Erde?

 

richtet mich auf

dringt in mich ein

verbindet sich mit mir

 

die Schamanin öffnet Tore der Kraft

ruft die große Mutter, die Erd-Mutter, die All-Mutter, die Kraft der Erde

 

bin beschützt und gestärkt

eine Energie verbindet sich mit der meinen

 

„vertraue mir,

ich führe dich,

beschütze dich“

 

die Mutter spricht mit mir

 

so glücklich bin ich

 

so vertraut ist diese Energie

aber wo war diese wunderbare unterstützende Energie

in den meisten Jahren meines Lebens?

 

„Mutter, warum hast du mich verlassen?

Wo warst du als ich dich gebraucht habe?“

 

Tränen des Zorns, der Trauer und der Hilflosigkeit

rinnen über meine Wangen

 

und in mir ertönt die Antwort

gleichzeitig in mir

wie auch tief aus der Erde

 

„Niemals habe ich dich verlassen, meine Tochter.

Ich bin immer da.

Du hast dich selbst verlassen.“

 

ich liege am Boden

Schluchzen schüttelt mich

ich weine meine Trauer in den Boden

 

ja, ich habe mich wirklich selbst verlassen

diese Erkenntnis ist so schmerzvoll

 

doch die Tränen sind erlösend, befreiend

dürfen endlich geweint werden

der Schmerz darf endlich zurückkehren

ich darf endlich heimkehren

in diese, meine Energie

 

mein ganzer Körper fließt und schwitzt und weint

und alles rinnt an mir in den Erdboden hinab

 

wie ein Baby liege ich am Bauch der Erdmutter

 

und ich blicke zur Schamanin hinüber

die ich plötzlich zu sehen scheine – sie sieht aus wie eine Erdgöttin

ein Bild überlagert sich mit ihrem in der Dunkelheit

und ich sehe Kornfelder, Obstbäume, Gemüsepflanzen

alles wächst aus den großen Brüsten der Erdmutter

 

Mutter Erde nährt uns ein Leben lang,

bis wir im Tod zurückkehren in ihren Schoß

 

 

Eulenaugen – Licht und Dunkelheit

 

geborgen bin ich

im dunklen Mutterbauch der Erde

 

heiß-glitschig rinnen

Schweiß- und Wassertropfen an meinem Körper hinunter

meine Zunge schmeckt salzige Tränen

 

Eulenaugen

schwarz, groß und dunkel

blicken mich an

versinken soll ich

in diesen Augen

mich hineinfallen lassen

in die Dunkelheit

Wissen aufnehmen, Weisheit geschenkt bekommen

 

doch wohin soll ich?

mich ins linke oder ins rechte Augen fallen lassen?

habe ich zwei Seiten?

bin ich Licht und Dunkelheit?

bin ich mehr?

 

meine linke und meine rechte Seite

mein weiblicher und mein männlicher Teil

 

lasse mich ins linke Auge hineinziehen

immer tiefer fallen

durch einen dunklen Tunnel

und am Ende

Sternenhimmel

dunkel, schwarz

eine Sternspirale

schwarze Gebärmutter der Himmelsgöttin

aus der dunklen Spirale steigt sie auf

meine weibliche Schöpferkraft

pulsiert

 

wieder Eulenaugen

diesmal durch das rechte Auge

immer tiefer fallen

Licht

eine pulsierende, leuchtende Sonne

männliche, strahlende Energie

 

und ich liege wieder geborgen

am Boden

im schwarzen Schoß der Mutter

 

scheine einzutauchen in ein schwarzes Meer

aufgefangen, eingehüllt

im weichen Bauch meiner Mutter

 

höre ich ihre Stimme, ihren Gesang

ein Wiegenlied, gesungen für mich

kann die Worte nicht verstehen

nicht mit dem Kopf

aber mit dem Herz

meine Seele erinnert sich

ein Lied über ferne Welten

und die Liebe einer Mutter, die durch nichts zu erschüttern ist

 

fremdartig vertraute Klänge hüllen mich ein

Tränen laufen über meine Wangen

Tränen der Zärtlichkeit, der Verbundenheit

der unglaublichen Berührtheit

Tränen der Liebe

 

Hände streichen über mich

streicheln mich liebevoll, beschützend

 

bin eingehüllt in braune Erde

wühle im Schlamm

 

erdgeboren

 

eine riesige Wildsau läuft auf mich zu

 

braune Erde

Erdkraft

Wildheit

Ahnenkraft

 

plötzlich stecke ich fest

als müssten meine kleinen Beinchen

in ein noch kleineres Glas passen

zusammengequetscht

verdreht, verkehrt stecke ich fest

 

da greift eine große Hand nach mir

dreht mich herum

und befreit mich

 

erlöst und im Fluss

möchte ich nun geboren werden, ans Licht

 

und wir kriechen nacheinander durch die Öffnung der Schwitzhütte hinaus in die Welt

ich bin verschwitzt, verweint und glücklich

 

 

Herzschlag – verbunden mit Mutter Erde

 

mein nackter Körper

ruht auf dem Erdboden

kalt erfrischend

bin ich auf regennasses Gras gebettet

meine Augen geschlossen

lausche ich den Geräuschen

die der Wind sanft zu meinen Ohren trägt

 

das Wasser des Flusses

rauscht neben mir dahin

Feuer knistert, brennt

und sprüht Funken in die Nacht

Luft umgibt mich, streichelt mich

Erde trägt mich

 

Energie fließt durch mich

ein warmer Strom des Lebens

Glück

und

Herzschlag

 

mein Herz schlägt

Herzschlag dehnt sich aus

Rhythmus der Erde

mein Herz verbunden mit dir, Mutter Erde

mein Herzschlag ein Herzschlag deines großen Erdenherzens

Einklang in mir

Gleichklang

ohne Grenzen bin ich im Erdherzen

und das Herz der Erde in mir

untrennbar verbunden

eins geworden

schlägt mein Herz im Rhythmus aller Dinge

und das Universum liegt in mir

für Momente eins geworden

ganz groß und ganz klein

ganz wichtig und unwichtig geworden

verbunden mit dir, Mutter Erde

schenkst du mir deine Kraft

schenkst du mir deine Liebe

schenkst du mir das Glück des Daseins

schenkst du mir diesen Moment

 

und einen Moment lang bin ich Ewigkeit

und einen Moment lang bin ich das Universum

und einen Moment lang bin ich Göttin und Mutter allen Lebens

 

und dann bin ich wieder ich

und meine Augen blicken aus meinen Körpergrenzen hinaus

 

und doch bin ich verbunden mit dir, Mutter Erde

und ein Teil von mir trägt in sich die Erinnerung

an das Grenzenlose

an das untrennbar Verbundene

an den Gleichklang und die Kraft

 

Dankbar bin ich für dein Geschenk an mich, Mutter Erde

 

Martha, Juni 2011

Martha's Wortgarten